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BSA Bern, Our concerns, , Patrick Thurston

W-ORTE. Gewässerraum

W-ORTE. Gewässerraum

Noch habe ich die Worte des Ortsplaners und des zuständigen Gemeinderats in den Ohren, die aus heller Überzeugung dafür eintraten, dass die Textbausteine des Kantons für den Gewässerraum den übergeordneten Gesetzen von Bund und Kanton entsprechen würden und diese seien ja auch einmal vom Volk beschlossen worden, somit sei der Spielraum der Gemeinde beschnitten und mein Einspruch abzulehnen (siehe „La Reine des Prés“).

Bei genauerem Überdenken stellen sich jedoch einige Fragen.

Bäche hatten in der Vergangenheit einen schweren Stand in unserer Gesellschaft. Im Mittelland liegen 14 Prozent der Fliessgewässer in Röhren (1), doppelt so viele wie sonst in der Schweiz. Ob dieses Verschwinden der Bäche auch auf der Grundlage von Gesetzen des Bundes und der Kantone basierte, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich vermute, dass Bäche einfach als unproduktive Orte galten, oder schlicht einer Strasse, einer Bebauung oder einer Terrainaufschüttung im Wege standen oder ein anderer, wirklich plausibler Grund dafür vorlag.

Heute bemühen sich zum Glück weite Kreise um die Revitalisierung von Gewässern (2), was aktuell zur Überarbeitung der Ausscheidung der „Gewässerräume“ in allen Gemeinden führt. Bäche sind auf der politischen Agenda zu Recht ein Thema. Offenbar braucht es zwei Generationen bis scheinbar Unproduktivem ein Sinn zuerkannt wird und ein Wandeln im Denken und Handeln entsteht.

Die zur Zeit laufenden Festlegungen von Gewässerräumen zeigen, wie ein berechtigtes Anliegen in der Praxis formalistisch, uniform und einseitig umgesetzt wird, obwohl längst die Erkenntnis gereift ist, dass qualitative Aspekte nicht über einen Leist gebrochen werden können. Der Gewässerraum wird vor allem als Abstand für Bauten und Anlagen verstanden, als Korridor, der dem Bach den funktionalen Raum sichert, um den Hochwasserschutz, die Gewässerfunktionen und die Gewässernutzungen zu ermöglichen. Andere Aspekte, insbesondere eine differenzierte Betrachtung räumlicher Gegebenheiten der Landschaft und der Bebauung werden nicht berücksichtigt.

So werden die vielfältigsten Raum-Situationen im Bereich von Bächen, welche meist aus einem Nutzungs- und Lebenszusammengang heraus entstanden sind, mit dem Hinweis auf die Bestandesgarantie marginalisiert. Dies wiederspiegelt die einseitige Optik, denen Bäche aktuell ein weiteres Mal unterworfen werden. Viel schwerer wiegt aber die Tatsache, dass Gewässerräume „Verbots-Korridore“ sind, an denen keine räumliche Dynamik und vor allem keine menschliche Tätigkeit erlaubt ist, ausser „eine extensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung oder eine naturnahe Grünraumgestaltung.“ (3)

So gehören das Bienenhaus am Bach, der wassergekühlte Gewölbekeller, der Bauerngarten mit Mauer und Zaun direkt am Bach und andere Elemente, wie etwa die öffentliche Parkanlage mit Stufen zum Bach, der kleine Fussweg direkt am Bach oder andere Spuren menschlicher Nutzung, die einen Gewässerraum bereichern könnten der Vergangenheit an oder sie sind auf eine Ausnahmebewilligung angewiesen.

Mehrjährige Erfahrungen in einer Baubehörde haben mich aber eines gelehrt; die Politik fürchtet nichts mehr als Ausnahmen, die ein Präjudiz darstellen könnten!

Bäche sind in der Landschaft aber gerade auch in Dörfern, der Agglomeration und in Städten äusserst wichtige Lebensadern, die wie Wege oder Baumalleen in vielfältigster Weise Räume prägen. Wenn es um Qualität geht, dann braucht es einen Ermessensspielraum! Auch bei dem Bestimmungen zum Gewässerräumen tut dies Not, wie überhaupt in den Ortsplanungsbestimmungen ganz allgemein.

(1)  Im Mittelland sind mit 14 Prozent besonders viele Fliessgewässer eingedolt. Dort liegen dreimal so viele Fliessgewässerabschnitte unter der Erde wie an der Alpennordflanke und doppelt so viele wie in der Schweiz insgesamt (Quelle:
BAFU 2015).
(2)  Plattform Renaturierung
(3)  siehe Baureglement im Beitrag „La Reine des Prés“.

Vorgestellt von: Patrick Thurston

Legende zur Abbildung:
Ökomorphologischer Zustand der Schweizer Gewässer

Gut strukturierte Fliessgewässer (hellblau; Ökomorphologieklassen natürlich und naturnah) und strukturell stark anthropogen beeinträchtigte Fliessgewässer (rot; Ökomorphologieklassen stark beeinträchtigt, künstlich und eingedolt).

aus: Zustand der Schweizer Fliessgewässer, BAFU 2016 hier.