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BSA Bern, Reading list, , Rolf Mühlethaler

Reparatur | Repair - Anstiftung zum Denken und Machen

Reparatur | Repair - Anstiftung zum Denken und Machen

Von den Studierenden selbst gewählte, in Mitleidenschaft gezogene Gegenstände aus dem privaten Alltag werden im seit Jahren angebotenen Pflichtfach handwerklich perfekt geflickt und instand gestellt. Im gerade neu im Buchhandel erhältlichen Buch "Reparatur: Anstiftung zum Denken und Machen" wird eindrücklich und kompakt dargestellt, wie wertvoll und berührend die Wertschätzung des Alltäglichen sein kann.

Es handelt sich hier um eine Lehre, die nicht das Grosse und Spektakuläre sucht und gerade deswegen ein unglaubliches emotionales Spektakel auslöst. Eine Lehre, die mit Verve aus dem Handwerk und der Baukultur heraus argumentiert und damit gesellschaftliche, historische und soziale Aspekte wie selbstverständlich mitnimmt. Die Zuwendung und Heranführung zum Handwerk wird von den Studierenden sehr gerne und mit viel Begeisterung angenommen. Oft werden bei der Arbeit verborgene ideelle und materielle Schätze geborgen, welche als Erinnerung für das spätere Tun von unschätzbarem Wert sein dürften. Erfährt man mit diesem nichtakademischen Tiefgang die Funktion, das Mass, den Zweck, das Material und die Schönheit eines noch so kleinen Gegenstandes, so fällt der Zugang zu einer verantwortungsvollen, aus den Dingen gewachsenen Architektur leichter. Dass Silke Langenberg auch die modernen Materialien und die digitalen und neuen Fertigungs- und Fabrikationstechniken in einem zweiten Schritt einbezieht, eröffnet zusätzlich technische Themen.

Bugholzstuhl, Omas Stuhl, Sandkastendach, Lederstuhl, Stuckrahmen, Armlehne, Cordsessel, Kinderstuhl, Brüstungselement, Parapet element, Bürostuhl, Eames-Stuhl, Panton-Stuhl, Sideboard, Küchenschrankscharnier, Bürodrehstuhl-Rad, Sonnenblende, Türklinke, Thonet-Stuhl, Hausaltar, Hutablage, Traktorsitz, Thonet-Hocker, Alter Stuhl, Stuhlgravur, Gasherdregler, Werkstattlampe, Heizlüfter, Titanuhrenarmband, Kopfhörer, Kameraklappe, USB-Ladekabel, Ohrpolster, Tischleuchte, Art-déco-Lampe, Mausabdeckung, Heimkino, Stehlampe, Deckenfluter, Projektorspule, Lederuhrenarmband, Rollermobil-Lichtschalter, Videospielkonsole, Kaffeemühle, Schalter, Wandlampe, Lautsprecher, Lampenschirm, Wandleuchter, Griffschalen, Panamahut, Prunkschläger, Turnschuhschlaufe, Silberanhänger, Spielzeugsegelboot, Brillenbügel, Ersatzteile, Regenschirm, Kapselauswerfer, Kaffeekanne, Altes Buch, Wörterbuch, Wanderjolle, Becherhalterung; Gebrauchsgegenstände des Alltags werden mit unschätzbarem, emotionalem und didaktischem Wert geflickt. Verwenden, was noch brauchbar ist, hat auch im Umgang mit historischen Bauten eine grosse Tradition. Stein, Holz und ganze Interieurs wurden innerhalb eines Hauses und manchmal der Stadt mehrfach verwendet. Etwas, was repariert und geflickt werden kann, entfaltet oft mehr Schönheit als etwas Neues. Diese Empathie für das Vorhandene lässt sich mit viel Gewinn auch im Städtebau anwenden. In aller Regel ist im Bestand, möge er noch so fragmentarisch und kaum sichtbar sein, ein Fussabdruck und Gedächtnis des Städtebaus eingeschrieben. Das Verwenden und der Respekt vor dem, was da ist, ist also keine Frage des Massstabes. Ob der Stuhl der Oma oder das verwunschene, kaum sichtbare Quartier, der genaue und liebevolle Blick für das Gegenständliche eröffnet Chancen für eine Architektur und einen Städtebau der Freiheit und Öffnung.

Am Lehrstuhl von Silke Langenberg werden Werte vermittelt, welche der sich selbst treibenden Bauwirtschaft eine Kritik der Reparatur, eine Kultur des Reparierens und Flickens entgegenstellt. Auf die kurzfristige Investition angelegte Bauvorhaben und Materialverwendungen werden bei der zukünftigen Architektinnen- und Architektengeneration klug und präzis in ein kritisches Licht gestellt. Die endlichen Ressourcen, die Recyclingfähigkeit von Materialien und die Trennung der Bauteile, damit sie überhaupt reparabel sind, finden Eingang in ein kritisches Bewusstsein gegenüber unserem, auf kurzfristige Effizienz ausgelegten Bauen. Ökonomie, Genügsamkeit (Suffizienz) und Langlebigkeit werden ohne denkmalpflegerische Doktrin selbstverständlicher Inhalt der Lehre.

Das Buch Reparatur | Repair von Silke Langenberg ist ein schönes kleines Buch mit grosser Strahlkraft.

vorgestellt von Rolf Mühlethaler

Buchinformation:
Reparatur "Anstiftung zum Denken und Machen"
Herausgegeben von Silke Langenberg
2018 Hatje Cantz Verlag GmbH
ISBN 978-3-7757-4397-6
http://www.hatjecantz.de/reparatur-7205-0.html