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BSA Bern, Architektur verstehen,

500 Jahre Chorgewölbe im Berner Münster

500 Jahre Chorgewölbe im Berner Münster

Am 18. November 2017 wird nach fast dreijähriger Bauzeit, aber pünktlich 500 Jahre nach seiner Fertigstellung, der restaurierte Münsterchor eingeweiht. Zwar steht noch ein Teil des Gerüstes, das am 18. und 19. November dem Publikum geöffnet wird, damit eine Sicht aus grösserer Nähe möglich ist. In erster Linie wurden Mauern und Gewölbe, erstmals seit mehr als 100 Jahren gereinigt, zum erste Mal gründlich, aber schonend und konservierend. Dabei zeigte es sich, dass die Skulpturen der 86 Heiligenbüsten auf allen Rippenverzweigungen des Netzgewölbes im Originalzustand von 1517 geblieben sind; ihre damals vom besten Maler Berns, von Niklaus Manuel, geschaffene hochdifferenzierte und kostbar wirkende Farbfassung ist nie überstrichen worden und befindet sich, angesichts ihres Alters, in perfektem Zustand. Die Arbeiten auf den Gerüsten ermöglichten neue Erkenntnisse zur Baugeschichte und Konstruktionsweise des Gewölbes.

Der damalige Münsterarchitekt, der sich als erster am seit 1421 laufenden Bau mit Namen und wohl auch mit einer der Büsten zeigt, Peter Pfister, übernahm die Gewölbeanfänger, die damals, der langen Baugeschichte wegen, 70 Jahre alt waren und Lage, Richtung und Kurvaturen der Rippen festlegten, schuf aber trotzdem ein absolut modernes Gewölbe. Dies war besonders wichtig, weil der Gewölbebau in der Spätgotik sich ausserordentlich entwickelt hatte und die eigentliche Königsdisziplin der Architekten darstellte. Raffiniert überspielte Pfister die ungleichen Jochlängen des Chors und fasste den Raum zu einer Einheit zusammen. Die Rippen und die 86 Heiligenbüsten, die sämtliche Verzweigungen des dichten Rippengewölbes schmücken, sind in der Bauhütte vorfabriziert worden, bevor man den Gottesdienst im provisorisch holzgedeckten Chor unterbrechen musste, um das Gerüst zu stellen. Entgegen den Erwartungen hat man dann mit Lehrgerüsten zuerst diese Büsten mit den Rippenstummeln frei im Raum fixiert, dann die Rippen dazwischen eingesetzt und schliesslich die bloss 22cm dicke Backsteintonne darüber gespannt.  Bei den Büsten mit ihren aus der gleichen Bosse gehauenen Rippenverzweigungen handelt es sich daher nicht um Schlusssteine, sondern um „Anfangssteine“, in deren Fertigung sich Steinmetzen und Bildhauer teilten.

Das prächtige Gewölbe mit seinen Büsten stellt den himmlischen Hof dar, wie er für das damalige Bern, kurz vor der Reformation, wichtig war. Es ist ein bernisches Pantheon, das 11 Jahre nachher, 1528, enttrohnt worden ist. Der ungeheure Formenreichtum an Rippenfiguration und Bildhauerarbeiten ist in der ganzen spätgotischen Architektur einzigartig – ein wenig wahrgenommenes Stück Berner Kultur von europäischem Rang.

vorgestellt von Jürg Schweizer

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Hier zur Einladung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten am 18. und 19. November 2017
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