Mit ihren Vorgärten und mit ihrer Monokultur des Wohnens mag die Siedlung zwar wenig urban erscheinen. Doch ihre Beliebtheit ist im Coronajahr starkewachsen: Sie bietet Freiräume im Nah bereich, Licht, Sonne, Ausblicke, Grün – und Nach barschaft statt Anonymität. Nur leider wendet sie der Stadt, der öffentlichen Strasse meist ihren Rücken zu und bezieht sich allzu sehr nur auf sich selbst. Wie könnte die Siedlung vermehrt Anschluss finden an den Raum der Stadt?
Mit «Siedlung» meinen wir eine Überbauung von einheitlicher Architektur und Umgebungsgestaltung auf einem grösseren Areal. Meist fehlt ihr ein städtischerix von Nutzungen, und trotz dem ist die Siedlung kein Phänomen, das aus der Agglomeration in die Städte gewandert wäre: Ihr Ursprung liegt vielmehr in der Stadt, und die historische Rückblende zeigt von der Riedtli-Siedlung in Zürich bis zum Square Montchoisy in Genf Vorbilder, die dezidiert Stadt waren und sind. Wie könnte man solche Überbauungen nicht für lebenswerte Teile der Stadt halten?
Kraft ihrer Grösse können in der Siedlung Orte geschaffen werden, die auf ein Kollektiv ausgerichtet sind. Das können eigentliche Gemeinschaftsräume sein, mindestens sind es aber baumbestandene Freiräume, die der Siedlung Mitte und Identität verleihen – und Orte, deren Öffentlichkeitsgrad nicht ohne weiteres klar ist. Im Unterschied zur städtischen Rigueur des Entweder-Oders baut die Siedlung auf die vielen Stufen dazwischen. Die Kunst des Siedlungsbaus ist, die Übergänge zwischen öffentlichen und privaten Bereichen klug zu moderieren. Besonders interessant wird die Aufgabe, wenn es darum gehen soll, der Siedlung Anschluss an den öffentlichen Raum zu verleihen.
So ist dieses Heft auch ein kleines Plädoyer für die Siedlung – ganz besonders da, wo sie ihre un bestrittenen Vorzüge, das Angebot an Freiraum und möglicher Gemeinschaft, in den Dienst des Städtischen stellen kann. Unsere Beispiele aus Genf und Zürich, Altdorf und Schlieren geben Hinweise dafür und zeigen: Voraussetzung ist ein enges Zusammenspiel von Architektur und Landschaftsarchitektur. — Daniel Kurz, Roland Züger