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werk, bauen + wohnen 7/8-2021

werk, bauen + wohnen 7/8-2021

Mehrwerte im Wohnungsbau

Nicht jede Wohnung ist gleich angenehm zu be­wohnen, wenn man sie nicht regelmässig verlassen kann. Das haben uns die letzten anderthalb Jahre gezeigt. Etwas ist dabei klar geworden: Strikte Funk­tionstrennungen haben ausgedient. Aber wir be­obachten auch eine Renaissance von Diele, Lauben­gang und Erker, entwerferische Zutaten, die bereits vor der Pandemie Einzug in die Grundrisse neuer städtischer Wohnbauten gefunden haben.
Die Halle oder Diele und der Erker sind zwei gutbürgerliche Elemente, die das Wohnen in der Stadt etwas emporheben – dabei hat der Fassaden­vorsprung natürlich auch städtebaulichen Ein­fluss. Dazu tritt der als effizient berüchtigte Lauben­gang aus seinem Schattendasein, denn er kann mehr, als viele kleine Wohnungen zu geringen Kostenzu erschliessen. Was könnte die Erklärung für die Wiederentdeckung von Diele, Laubengang und Erker sein? Drei Essays versuchen das auf unterschiedli­chen Flughöhen zu beleuchten, die eine breite histo­rische und ganz praktische Herangehensweise auf­ weisen. Der Diele wird von Lübeck und Venedig bis zum Zürcher Hornbach nachgespürt, der Lauben­gang könnte mit dem wieder aufflammenden Inter­esse an den 1990er Jahren und dem Sinn für gemein­schaftliche Wohnformen zusammenhängen, und mit dem Element des Erkers kämpfen Wohnungsbau­-Entwerfende in der aktuellen Praxis gegen die aal­glatte Renditearchitektur an.
Eine umfassende Grundrisssammlung, nicht nur zu den beschriebenen Beispielen, erlaubt eine in­ dividuelle Lesart. Hier lassen sich folgende Fragen beantworten: Wie kann der Erker Privat­ und Stadtraum verbinden? Wie sind die innenräumlichen Auswirkungen einer zentrumsbildenden Diele auf die gesamte Wohnung? Und sind Wohnungen mit diesen Zutaten vielleicht robuster – um ein archi­tektonisches Lieblingswort zu bemühen – als her­kömmliche Grundrisse?
Wir haben alle viel mehr Zeit zu Hause verbracht im letzten Jahr und am eigenen Leib erfahren, dass Lebensqualität mit multifunktionalen Raumsituatio­nen, Durchsichten, Tageslicht und qualitätsvollen Aussenräumen erreicht wird. Zukünftige Wohnun­gen müssen nicht grösser sein, aber besser. Vielleicht liefern die Beispiele im Heft und die Gedanken zu Diele, Laubengang und Erker die nötige Inspiration dazu. — Jenny Keller, Roland Züger