Nicht jede Wohnung ist gleich angenehm zu bewohnen, wenn man sie nicht regelmässig verlassen kann. Das haben uns die letzten anderthalb Jahre gezeigt. Etwas ist dabei klar geworden: Strikte Funktionstrennungen haben ausgedient. Aber wir beobachten auch eine Renaissance von Diele, Laubengang und Erker, entwerferische Zutaten, die bereits vor der Pandemie Einzug in die Grundrisse neuer städtischer Wohnbauten gefunden haben.
Die Halle oder Diele und der Erker sind zwei gutbürgerliche Elemente, die das Wohnen in der Stadt etwas emporheben – dabei hat der Fassadenvorsprung natürlich auch städtebaulichen Einfluss. Dazu tritt der als effizient berüchtigte Laubengang aus seinem Schattendasein, denn er kann mehr, als viele kleine Wohnungen zu geringen Kostenzu erschliessen. Was könnte die Erklärung für die Wiederentdeckung von Diele, Laubengang und Erker sein? Drei Essays versuchen das auf unterschiedlichen Flughöhen zu beleuchten, die eine breite historische und ganz praktische Herangehensweise auf weisen. Der Diele wird von Lübeck und Venedig bis zum Zürcher Hornbach nachgespürt, der Laubengang könnte mit dem wieder aufflammenden Interesse an den 1990er Jahren und dem Sinn für gemeinschaftliche Wohnformen zusammenhängen, und mit dem Element des Erkers kämpfen Wohnungsbau-Entwerfende in der aktuellen Praxis gegen die aalglatte Renditearchitektur an.
Eine umfassende Grundrisssammlung, nicht nur zu den beschriebenen Beispielen, erlaubt eine in dividuelle Lesart. Hier lassen sich folgende Fragen beantworten: Wie kann der Erker Privat und Stadtraum verbinden? Wie sind die innenräumlichen Auswirkungen einer zentrumsbildenden Diele auf die gesamte Wohnung? Und sind Wohnungen mit diesen Zutaten vielleicht robuster – um ein architektonisches Lieblingswort zu bemühen – als herkömmliche Grundrisse?
Wir haben alle viel mehr Zeit zu Hause verbracht im letzten Jahr und am eigenen Leib erfahren, dass Lebensqualität mit multifunktionalen Raumsituationen, Durchsichten, Tageslicht und qualitätsvollen Aussenräumen erreicht wird. Zukünftige Wohnungen müssen nicht grösser sein, aber besser. Vielleicht liefern die Beispiele im Heft und die Gedanken zu Diele, Laubengang und Erker die nötige Inspiration dazu. — Jenny Keller, Roland Züger