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werk, bauen + wohnen 11 – 2020

werk, bauen + wohnen 11 – 2020

Öffnet die Tempel!

Manchmal hilft der Blick in den Rückspiegel und lässt Dinge erkennen, die man vorher nicht so klar vor Augen hatte. 1997 diagnostizierten Franz Dröge und Michael Müller in dieser Zeitschrift, dass das Museum den Städten als Medium zur «Kulturalisierung» diene. Nicht nur als Marketingvehikel, sondern als eigenständiger Zweig der Ökonomie sind die Museen heute Teil der Kulturindustrie. Wie dick dieser Ast mittlerweile gewachsen ist, hat die Corona-Krise offen gelegt.
Jenen Artikel illustrierte der damalige Werk-Redaktor Ernst Hubeli durch eine Gegenüberstellung des Centre Beaubourg mit dem Kunsthaus Bregenz. Das Modell der offenen Struktur des Beaubourg wurde hierzulande kaum weiterverfolgt, wegweisend wurde vielmehr die Aura-Maschine in Bregenz. Doch sie gibt über ihre zeichenhafte Bedeutung in der Skyline hinaus dem Stadtraum wenig zurück. Im Gegenteil: Ihr hermetischer Ausdruck ist im Grund das Gegenteil des Urbanen, das Vielfalt und Offenheit atmet. Müssten nicht auch Museen durchlässige Gefässe sein, statt nur Raum und Zeichen? Das Bildungsbürgertum als Stammpublikum stirbt den Häusern allmählich weg, und der gesellschaftliche Wandel stellt die Relevanz-Frage: Für wen sind sie in Zukunft da?
Das ist nicht nur eine Frage der Vermittlung (vgl. Nina Simons, The Participatory Museum) sondern auch eine Frage der Architektur. Institutionen wie die Tate Modern in London weisen seit 20 Jahren den Weg, und der Anbau des Switch House (vgl. wbw 12 – 2016) führte die Geste der Offenheit weiter. In der Schweiz dagegen gleichen die jüngsten Museumsbauten in Zürich, Lausanne oder Basel (vgl. wbw 9 – 2016) stummen Behältern. Sie lassen jegliche Einladungsgeste in stadträumlichem Sinn vermissen. Ihre Fassaden sind Repräsentationsapparate, die mit dem städtischen Leben weder in Austausch treten wollen noch können. In diesem Heft zeigen wir Museumskonzepte, die anders funktionieren. Sie umgarnen die Öffentlichkeit und treten in Kontakt mit der Bevölkerung. Das macht sie zu relevanten öffentlichen Orten. — Roland Züger