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werk, bauen + wohnen 5 – 2020

werk, bauen + wohnen 5 – 2020

Stadt braucht mehr Dichte

Selten hat ein raumpolitisches Schlagwort so rasche Wirkung entfaltet wie heute die «Siedlungsentwicklung nach innen». In den Städten wird gebaut wie noch nie, und noch hektischer läuft die Baumaschinerie im Umland. Das liegt freilich weniger am politischen Schlagwort, als an der Lage auf den Finanzmärkten, die ungeahnte Mittel in den Immobilienbereich pumpen. Und es stellt sich dabei die Frage, ob die vielen tausend Neubauwohnungen tatsächlich zur Siedlungsverdichtung beitragen, sprich: ob die Dichte an Menschen im Gleichschritt mit der baulichen zunimmt und daraus Architektur und schliesslich Stadt entsteht. Zweifel sind angebracht. Zudem: Wo entstehen im gegenwärtigen Bauboom auch soziale Dichte und Durchmischung, wo atmosphärische Dichte und räumliche Spannung? Unsere Baugesetze bewirken das Gegenteil. Sie privilegieren das rundum freistehende Vorstadthaus, denn sie verkörpern längst obsolete Ideologien aus der Ära der Gartenstadt.
Deshalb fragen wir in diesem Heft: Wie sieht gelungene Dichte aus? Zeigt sie sich in Form hoher Häuser inmitten von weiten Boulevards und grünen Parks? Als dicht gesäumter Strassenraum im Sinn der  Europäischen Stadt? Oder als kleinmassstäbliches Geflecht in der Art unserer gewachsenen Altstädte und Dorfkerne? Wie schafft man bei Dichten über 200 Prozent Räume, die anregen und berühren, Menschen in Kontakt bringen, den öffentlichen Raum stimulieren, sich mit umliegenden Quartieren vernetzen, sodass sie keine Inseln bleiben – und die nicht zuletzt auch über kühlendes Grün verfügen, sodass sie unserem Stadtklima zuträglich sind? Rezepte gibt es nicht, nur unter schiedlich gelungene Ansätze.
Wir knüpfen mit dieser Ausgabe an eine lange Reihe von Heften zum Städtebau in der Dichte an, wie etwa wbw 4 – 2019 (Im Stadtblock), 10 – 2018 (Dorfbau), 9 – 2018 (Ersatzwohnbau) oder 4 – 2017 (Stadträume). Wir meinen: Städtische Dichte ist
in der Schweiz immer noch verpönt. Für ein pulsierendes Stadtleben ist nicht die Masse des Gebauten entscheidend, sondern die Dichte an Bewohnerinnen und Bewohnern. Der gegenwärtige Boom im Bau grosser Wohnungen, meist in öder funktionaler Monokultur, lässt keine Stadt entstehen. — Daniel Kurz , Roland Züger