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werk, bauen + wohnen 11 – 2022

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Auftritte neben der Oper

Im Gepäck nach Oslo war eine Frage: Was ist der nächste Akt nach der Oper? Auf dem Velo dem Fjord entlang galt unser erster Besuch dem Architekturbüro Snøhetta. Direkt am Ufer vor dem
Felsen, auf dem die Festung Akershus thront, hat das berühmteste Büro Norwegens seinen Sitz. Vor den grossen Fenstern der historischen Fabrik fahren regelmässig kolossale Kreuzfahrtschiffe in den Hafen – eine stimmige Umgebung für den nun globalen Architekturplayer. Noch immer arbeitet das Büro interdisziplinär, wie damals, als es das Opernhaus in eine Landschaft verwandelte. Und immer noch stehe das Konzept der Offenheit eines Baus im Vor-dergrund, versichert uns der Büro-Mitgründer Kjetil Thorsen, im Herzen nach wie vor ein Sozialdemokrat. So taufrisch das Konzept der Oper, so überdreht der zweite Teil der dreihundert Folien umfassenden Präsentation, die uns der Bürochef noch mit auf den Weg geben will: Museen, Campus und Konzerthäuser für alle Welt, ohne soziale oder demokratische Ambitionen.
Auf dem Velo geht es eine Bucht weiter, auf Be-sichtigungstour. Rund um die Oper sind zahlreiche Gevierte entstanden, aber sie können allesamt dem «Eisberg» nicht das Wasser reichen. Da hilft auch die Verneigung des Munch-Museums nebenan wenig. Auch die als Barcode-Streifen getarnte Büro- und Spekulationscity entlang der Bahn ist ein Architekturzoo, ohne Gespür für Freiraum oder Massstäblichkeit. Selbst die neuen Wohnhäuser verströmen kaum Charme und gleichen eher dem, was sie auch sind: Anlageobjekte der Neureichen.
Am Volksvermögen kann diese Durchschnittlichkeit eigentlich nicht liegen, man denkt an das viele Geld, das in Norwegen seit dem Ölfund in der Nordsee 1969 in die Kasse gespült wird. Im Staatsfond liegen derzeit 1,3 Billionen Euro! Davon könnte man sich sehr wohl einen sozialen Wohnungsbau leisten. Die Weichen dafür wurden jedoch in den 1970er Jahren falsch gestellt, wie man in diesem Heft erfährt. Auf unserem Weg war das neue Nationalmuseum nun der letzte Hoffnungsschimmer: Doch von einem offenen Museum keine Spur. Als Lichtblick der Recherche gilt (neben einigen  geglückten Umbauten) einzig die neue Bibliothek hinter der Oper. Ihr umfangreiches Angebot steht allen offen und schafft gerade für die migrantischen Commu­nities (es gibt ja nicht nur Touristen wie uns) einen sicheren Hafen. — Roland Züger, Jenny Keller