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BSA Bern, Nos préoccupations, , Benedikt Loderer

Bffiger +

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© Rolf Siegenthaler

Der fünffache Biffiger

Franz Joseph Biffiger (1939-2023) war mein Pfadiführer. Marathon, hiess er, denn er war auch Orientierungsläufer. Er wohnte drei Hüsli weiter oberhalb meines Vaterhüslis im Spiegel bei Bern. In den rund 75 Jahren, die wir gleichzeitig hinter uns brachten, lernte ich fünf verschiedene Biffiger kennen: Den Musiker, den Offizier, den Architekten, den Politiker und den Künstler.

Den Musiker entdeckte ich früh auf dem Gurten. Dort spielte er mit seiner Band «The Riverboat Stompers» alten Jazz. Beim Zuhören ergriff mich der brennende Wunsch Schlagzeuger zu werden. Spielen habe ich ihn selten gehört, weiss aber, dass er die treibende Kraft hinter der Swiss Jazz School und deren Präsident war. «Jazz,» so sagte er, «ist die demokratische Musikkultur, die Schule der spontanen Zusammenarbeit.» Auch das Musig Bistro Monbijou wäre ohne ihn nie entstanden. Beide leben sie weiter als die Denkmäler des Pianisten FJB.

Den Offizier beobachtete ich nur aus dem Augenwinkel. Dass er Offizier wurde, scheint mir familien- und zeitgemäss. Der Vater war Vizedirektor bei der Oberzolldirektion, das Gymnasium fördert, formt und fordert, so kam um 1960 ein Leutnant der Infanterie zustande. Dass er aber den Ehrgeiz hatte, «der erste haschende Oberst der Schweizer Armee» zu werden (Biffiger über Biffiger), das hat mich und viele doch überrascht. Einige rieben sich daran. Es gab eine Regel bei arb: Biff durfte nie in Uniform im Büro erscheinen.   

Der Zeichenlehrer Plattner am Gymer Kirchenfeld soll ihn mit Architektur infisziert haben. Studiert hat er sie an der ETH Z, Jaques Schader war prägende Figur, das Diplom machte er bei Waltenspühl. Biffiger war mit Kurt Aellen, Urs Hettich, Daniel Reist und Bernhard Suter einer der fünf Mitbegründer des Büros arb. Klein geschrieben, aber gross gedacht. Der Name «Arbeitsgruppe für rationelles Bauen» gibt die Richtung an: Vorfabrikation, Masskoordination, Industrialisierung. Der Freigymer, den Reist ins Büro brachte, war der erste Bau, der in der Szene aufhorchen liess, eine meiner frühen Pilgerstätten.

Biffiger war der Fädenzieher im arb. Der Politiker und der Architekt waren eins. Andersherum er machte Architekturpolitik. Vier Jahre war er Stadtrat der Stadt, 17 Jahre Grossrat im Kanton. Das zeigt auch, wie bernisch sein Leben war. Er hat im Hintergrund das Projekt Aumatt eingefädelt und war auch beim Merzenacker mitverantwortlich für das Zustandekommen. Im Büro arb gab es keine Autoren, so sind auch die einzelnen Bauten nicht nur einem der Architekten zuzuordnen. Der Turm auf dem Ulmizberg, das Schulhaus in Neuenegg, das Schulheim im Schloss Erlach, die Wohnbauten Vermontpark, die Fernmeldedirektion, die Erweiterung der Schanzenpost, die Paketverarbeitungszentren … bei allen Bauten war Biffiger in verschiedenen Rollen beteiligt. Mehr und mehr übernahm er «vorarchitektische Aufgaben» wie Standortabklärungen, Machbarkeitsstudien und vor allem das Beackern des politischen Bodens, auf dem etwas wachsen soll.

Der Berner Nutzungszonenplan, man kann ihm auch Wohnanteilplan sagen, ist das Resultat einer Motion des Stadtrats Biffiger SP. Er betonte: Jahre vor den Zürchern! Er war auch Präsident der Kommission für Boden- und Mieterfragen der SP Schweiz. Hauptthemen: Bodenrecht, Raumplanung, Mietrecht, Wohnbaupolitik. «Planung ist das Vorbereiten von politischen Entscheiden. Mich hat die Politik interessiert. arb war nie sozialdemokratisch, aber ich bin es. Meine Aktionen waren im arb nie umstritten, die negativen Folgen, «rotes Büro» mussten allerdings alle tragen», sagte er mir 1999. 

Der Künstler noch. Rationelles Bauen, Häuser wie Autos! Einspruch Biffiger: «Das Primat «rationell», die Reduktion der Architektur, das Ausschliessen des Sinnlichen, des Humors, das Wegfallen von Lebensfreude, hat mich immer genervt. arb hatte immer eine lustvolle Vorstellung vom Bauen». Immer ging im arb der Blick über den Rand des Zeichentischs hinaus in die kulturelle Szene. Trotzdem: «Das Wort Kunst geht uns im Zusammenhang mit Architektur zögernd über die Lippen. Sonst allerdings nicht. Kunst muss sinnlos sein dürfen. Diese Regel kann man kaum auf Architektur übertragen.» Auf Malerei und Musik allerdings wohl. Jazz als Schule der spontanen Zusammenarbeit gibt dem Pianisten schöpferische Freiheit und den demokratischen Rahmen. Am Schluss sei noch daran erinnert, dass Franz Joseph Biffiger auch Weinhändler war.

Biel, 7. Mai 2023

Benedikt Loderer, Stadtwanderer