Das neue Schweizer Bauen mit Holz der 1980er Jahre schuf aus der Beschäftigung mit der Architektur der Zwischenkriegszeit ikonische Werke, die lange Zeit mehr von einer möglichen Poetik des Holzbaus erzählten, als von der Verallgemeinerbarkeit ihrer Technik. Noch fehlten eine leistungsfähige Industrie, eine spezialisierte Planerwelt, breit anwendbare, preiswerte Produkte und Bauweisen und nicht zuletzt fördernde Brandschutznormen. Prominente Pioniere waren Herzog & de Meuron, Peter Zumthor, Rolf Mühlethaler, Burkhalter Sumi, Meili, Peter und Gion Caminada mit seiner Neufassung des traditionellen Strickbaus.
Die formalen Neuerungen bezogen sich oft auf die Lage fern der Stadt – Holz drückte in vielen Fällen einen besonderen Bezug zur Natur aus. Heute ist Holz längst im Alltag angelangt. Gutes Bauen mit Holz setzt eine spezifische Kenntnis des Baustoffs voraus, und dieser hält Architekturschaffende an zur Disziplin beim Entwerfen. Weil Holzbau noch immer nicht billig ist, muss er konkurrenzlosen Mehrwert bringen, sonst sind Beton, Backstein und Stahl die preiswertere Alternative.
Für Holz entscheidet sich, wer ein CO₂-neutrales Baumaterial nutzen will und lokale Stoffkreisläufe im Auge behält, aber auch, wer die Möglichkeiten des Ausdrucks, die Wärme und Authentizität des Naturbaustoffs sucht. Und nicht zuletzt auch, wer Lust hat auf innovatives Konstruieren an den Grenzen des Machbaren – oft im Bescheidenen.
Wer aber mit Holzbau Aufsehen erregen will, muss Superlative anstreben: den grössten Wohnungsbau, das höchste Hochhaus in Holz, die grösste Spannweite oder das komplizierteste Tragwerk. Das ist allerdings nicht per se innovativ. Die Erneuerung kommt eher aus der Holzindustrie, ganz besonders aus kleineren Betrieben. So wie vor Jahren der Rahmenelementbau seinen Siegeszug antrat, sind es heute Bauweisen wie das weltweit verbreitete CLT als homogene und dimensionslose Masse, oder umgekehrt Vollholz-Bauweisen ohne Leim oder Nägel wie das Bausystem von Küng.
Im Heft dokumentieren wir das heute breite Spektrum: Urbanes Wohnen in Barcelona, ein Sportzentrum in den Bergen; eine Wohnsiedlung auf dem Land und den Firmensitz in der Gewerbezone – aber auch ein Bau der Superlative fehlt nicht.— Daniel Kurz, Tibor Joanelly