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werk, bauen + wohnen 12-2019

werk, bauen + wohnen 12-2019

Raumschaffen statt Formfetisch

Auch Ameisen sind hungrig auf Architektur. So musste der sri-lankische Architekt Geoffrey Bawa (1919 – 2003) erleben, dass diese Biester 1997 einen Teil seines Archivs samt den schönen Tuschzeichnungen vernichteten. Einen anderen Teil liess Bawa selber verbrennen. David Robson, Bawas Chronist und Gastredaktor dieser Ausgabe, ist es zu  verdanken, dass einige Zeichnungen gerettet werden konnten – ein Konvolut davon ist hier versammelt.
Durch sie wird deutlich, welche Sorgfalt Bawa der landschaftlichen Situation seiner Projekte beimass: Akkurat sind Felsen, Pflanzen und Bäume in Grösse, Lage und Form verzeichnet. Nicht selten sind kolossale Gewächse gewichtiger Bestandteil seiner Baugrundstücke und somit zentrale Elemente des Entwurfs. Sie prägen den Raum, Bauwerken gleich.
Nebst seiner Obsession für den landschaftlichen Kontext arbeitete Bawa wie ein Szenograf und inszenierte Bauten, Bäume oder Felsbrocken des Umfelds. Dabei konzentrierte er sich auf Wege, Ausblicke und Raumbeziehungen – ein Nachhall seines Studiums in England. Gerade in seinem eigenen Garten in  Lunuganga wird dieses Denken in orchestrierten Abläufen augenscheinlich. Immer steht der aufgespannte Raum im Fokus, nie das architektonische Objekt: Bawa ist ein Spacemaker, kein Formmaker, wie es David Robson auf den Punkt brachte.
Dieses Sensorium für den Ort und ihm innewohnende Qualitäten, für lokales Material und Handwerk leiten Bawas Schaffen. Es verwundert kaum, dass in seinen Bauten trotz tropischer Hitze selten Klimaanlagen im Einsatz sind. Dank natürlicher Ventilation der Räume, weit ausgreifender Dächer, aktiver Regenwassernutzung oder Vertikalbegrünung ist Bawa ein Vorreiter der bioklimatischen Architektur. Dieses Heft zeichnet ein Porträt davon mit acht realisierten Bauten, die allesamt in Sri Lanka stehen. Trotz dieser scheinbaren lokalen Beschränkung strahlen sein Werk und seine Denkweise weit über Asien hinaus.
Unser Dank geht an David Robson, der für dieses Heft Texte geschrieben und Türen geöffnet hat. Zudem ist Sebastian Posingis zu danken, der die Bauten fotografiert hat. Ebenso danken wir auch dem Archiv, dem Geoffrey Bawa Trust für seine Unterstützung sowie Jeff Bourke, der das Set von 100 Zeichnungen digitalisiert hat. — Roland Züger