Ist Alterswohnen wirklich so anders?
Was heisst das eigentlich, «Wohnen im Alter»? Für die allermeisten älteren Menschen eigentlich nichts anderes als das Gewohnte: den Tag verbringen, Lesen, Hobbies pflegen, Freunde empfangen, Ausgehen. Nur eben oft allein, nach dem Ende der Familienzeit, vielleicht dem Tod des Partners. Und oft mit kleinen oder grösseren Einschränkungen. Die Mobilität nimmt ab, die Reichweite täglicher Verrichtungen wird enger und im «fragilen» Alter über 85 tritt die Sorge hinzu, wie lange die Selbstständigkeit noch ohne Hilfe zu bewältigen sein wird.
Das alles ruft nach einem Wohnungsangebot, das sich nur wenig vom gewöhnlichen unterscheidet: integriert ins öffentliche Leben, aber hindernisfrei und in geeigneter Grösse für eine oder zwei Personen. Vor allem aber mit sozialem Anschluss und der Chance, in gesundheitlich schwierigen Zeiten Unterstützung in Pflege oder Haushalt zu beanspruchen. Könnte da nicht eine gemeinschaftliche Wohnform die passende Lösung bieten?
Autonome und vor allem gemeinschaftliche Formen des Alters oder Mehrgenerationenwohnens sind jedoch immer noch recht selten. Es fehlt – vor allem auf dem Land – an geeigneten Trägerschaften, an Finanzierungsmodellen und an typologischen Referenzen. Alterssiedlungen bieten nur wenige Gemeinden, Mehrgenerationenwohnen ist eine seltene Ausnahme. Derweil werden landauf, landab neue Altersheime und Pflegezentren gebaut. Doch die sind weniger eine Form des Wohnens als eine der Pflege; die fortschrittlichsten unter ihnen bieten ihre Dienstleistungen wie Pflege oder Mahlzeiten mobil auch den umliegenden Quartieren an und fördern so das selbstständige Wohnen. In die Lücke, die Staat und Gemeinden entstehen liessen, treten Akteure wie etwa die AgeStiftung. Sie sammelt Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Forschung und aus vielen, meist aus privaten Initiativen entstandenen Projekten.
Dieses Heft will dazu anregen, das Wohnen im Alter aus dem Ghetto der Institutionen herauszuholen und als autonome Lebensform zu verstehen, die im gesellschaftlichen Alltag stattfindet und – wie aller Wohnungsbau – die Chance zu städtebaulichem und architektonischem Mehrwert wie auch zu neuen Formen des Zusammenlebens beinhaltet. Sei es unter Gleichaltrigen oder mit Menschen anderer Generationen. — Daniel Kurz