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werk, bauen + wohnen 4–2019

werk, bauen + wohnen 4–2019

Die Grenzen neu aushandeln

Wo der Blockrand herrscht, ist Stadt. Das ist nicht nur ein Klischee, denn städtisches Leben erfordert Dichte, Diversität und Unmittelbarkeit, wie sie der Blockrand sehr oft bietet. Einzelne Exponenten verklären den Blockrand deshalb pauschal als Allheilmittel zur «Stadtwerdung der Agglomeration» (vgl. NFP 65, Neue urbane Qualität, 2015). Architekten und Investoren bleiben dagegen skeptisch, sie kritisieren die Starrheit der Strassenraster, die Schwierigkeit guter Ecklösungen und die Verschattung der Höfe. Zu den Feinden des städtischen Blocks zählen auch die landläufigen Baugesetze, welche die Licht- und Luft-Ideologie der Moderne festschreiben.
Doch wie lässt sich das Prinzip des Blocks variieren und aus seiner Starre lösen? Wir widmen dieses Heft dem Kneten des Blocks, dem Abwandeln seiner Konturen und teilweisen Öffnen seiner Begrenzungen. Dieses Kneten ist an sich nichts Neues: Schon vor hundert Jahren übten sich Architekten und Städtebauer darin, den Block zu humanisieren und ihn aus Erstarrung und spekulationsgetriebener Übernutzung zu befreien. Vittorio Magnago Lampugnani zeigt in seinem Beitrag, was Reformarchitektur zur Rehabilitation des Blocks beigetragen hat – und auch heute wieder beitragen kann.
Der Fluchtlinien-Städtebau des 19. Jahrhunderts bewirkte eine klare Trennung von öffentlichem und privatem Bereich und eine klare Hierarchie von Repräsentations- und Hinterseite. Wird die Begrenzung des Blocks im Reform-Städtebau geöffnet und volumetrisch geknetet, so dringen Licht und Luft in die Tiefe der Höfe, meist auch Freiraum und Grün, neue Sichtbezüge und Wegverbindungen werden möglich. Das heisst aber auch: Die Übergänge von Öffentlich zu Privat werden unübersichtlicher.
Das zeigen die gebauten Beispiele in diesem Heft mit ihren hybriden Raumtypen: Im Zürcher Surber-Areal wirkt die Gasse auf privatem Grund öffentlicher als die Strasse selbst; in der St. Leonhard-Schule in St. Gallen entstand ein erhöht liegender und bedeutungsvoll inszenierter Raum. An der Maiengasse in Basel wiederum öffnet sich das Hofhaus zur Strasse; die physischen Schwellen zum Privaten sind bewusst niedrig gehalten. Die Grenzen müssen in allen Fällen im Alltagsgebrauch ausgehandelt werden. Gerade dadurch tragen solche Hybridformen zur Diversität des Städtischen bei. — Daniel Kurz