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werk, bauen + wohnen 1/2–2019

werk, bauen + wohnen 1/2–2019

Dialektik des  Weiterbauens

«Alles ist Umbau» sagte der Wiener Architekt Hermann Czech 1973, und damit meinte er natürlich nicht nur die Pflege einzelner historischer Bauten, sondern das ganze breite Spektrum der Architekten-tätigkeit (vgl. wbw 3–1998).
Um aus der überwältigenden Menge bedeutender Umbauten für dieses Heft eine Auswahl zu treffen, bedurfte es der Kriterien, und diese lieferte uns wie so oft ein einzelner Bau: Die kleine Gruppe der Maisons Duc in Saint-Maurice. Dort haben die Walliser Architekten Gay Menzel die erhaltenen Reste einer historischen Häusergruppe um nahezu dasselbe Volumen ergänzt. Sie taten dies nicht, indem sie das Neue vom Alten klar absetzten, sondern indem sie sich auf einen Dialog einliessen, in dem sich die Zeitschichten mischen, das Neue auch das Alte informiert. Interessant und erklärend wird ihre Arbeit an den Nahtstellen. Da, wo sich Alt und Neu berühren.
Glaubhaft ist die erzielte Überlagerung, weil der Anbau das alte Haus weiter- und auch neu denkt und so aus beidem ein neues Ganzes macht. Grundlage für ein solches Vorgehen ist, wie auch Martin Boesch in seinem Essay schreibt, das einfühlende Verstehen des Bestehenden, selbst und gerade wenn dieses nicht durch Denkmalpflege und Gesetz bestimmt und vorgegeben ist.
An den Umbauprojekten in diesem Heft interessiert uns ein strukturelles Verständnis der alten Substanz, deren eigenes, zuweilen geheimes Leben, das durch eine neue Nutzung oder durch Bedingungen für den Erhalt zum Vorschein kommt. Die vorgestellten Bauten sind durch neue Anforderungen und die damit verbundenen Eingriffe sozusagen erst lebendig geworden, sie erschienen erst ihretwegen auf unserem Umbau-Radar.
So ist jedes hier vorgestellte Projekt eine eigene Persönlichkeit, bearbeitet caso per caso, wie Martin Boesch schreibt: Fall für Fall, Raum für Raum, Detail für Detail. Und das ist es auch, was Czech mit dem eingangs zitierten Ausspruch meint: Es ist immer das Spezifische, welches das Entwerfen interessant macht und es in einer architektonischen Kultur verankert. — Tibor Joanelly, Daniel Kurz