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werk, bauen + wohnen 6-2018

werk, bauen + wohnen 6-2018

Editorial: Vom Archaischen zur Konfektion

Vor zehn Jahren publizierte werk, bauen + wohnen das Haus Rauch in Schlins in einem Heft mit dem Titel «Archaismen» (wbw 3 – 2008), Roger Boltshauser hatte die Ikone mit Martin Rauch entworfen. Seitdem haben die Beteiligten Karriere gemacht, und das gilt auch für den Lehm als Baumaterial, das sich anschickt, den grossen Massstab zu erobern. Regelmässig haben wir Bauten aus Lehm publiziert: Das Haus Flury in Deitingen von Spaceshop (wbw 11 – 2010), den Hortpavillon in Zürich von Roger Boltshauser (wbw 1 /2 – 2013), die Landwirtschaftsschule Mezzana von Conte Pianetti Zanetta (wbw 7/8 – 2014) oder jüngst die Vogelwarte in Sempach von MLZD (wbw 11 – 2016).
Mehr denn je wird getüftelt am Material, am Spektrum der konstruktiven Möglichkeiten und am Ausdruck: in Bereichen, in denen Lehm eine Rolle als tragendes Baumaterial spielt, wie auch im weiten Feld der Halbfabrikate. Mit diesem Heft wollen wir die Entwicklung abbilden und gleichzeitig das Material Lehm auf seinen nächsten Entwicklungsschritten begleiten. Lehm ist fähig, dank seiner thermischen Speichermasse, seinem Beitrag zur Feuchtigkeitsregulation, seiner nahezu CO₂-freien Gewinnung und Verarbeitung und der Wiederverwendbarkeit beim Rückbau einen zentralen Beitrag für die Architektur des Klimawandels zu leisten. Um aber an Relevanz zu gewinnen, muss dem Lehmbau der Sprung in die industrielle Vorfertigung und in den grossen Massstab gelingen, in ein urbaneres Umfeld als die Einfamilienhaussiedlung der ökologisch Ambitionierten.
Die Frage ist: Kann ein ganzes Stadtquartier in Lehm gebaut werden? In Paris haben wir Antworten darauf gefunden, und wir haben hiesige Experten nach ihrer Einschätzung gefragt. Der einhelligen Meinung nach ist das Wissen rund ums Bauen in Lehm noch zu wenig verbreitet.Es braucht mutige Bauherren und findige Architekten, damit auch bei uns die Lehmhäuser in den Himmel wachsen wie in der jemenitischen Wüstenstadt Shibam. Dort stehen Hochhäuser aus Lehmziegeln mit einer Höhe von bis zu 30 Metern seit über 500 Jahren dicht an dicht. Ernsthaft in Gefahr ist die Stadt durch den anhaltenden Krieg, der bereits über 10 000 Tote gefordert hat. Heute steht Shibam auf der roten Liste der gefährdeten Kulturgüter des UNESCO-Weltkulturerbes. Roland Züger